Zukunftsszenarien Eurokrise - einfach erklärt

Die Eurokrise ist eine knifflige Angelegenheit. Denn wie sich die Lage in Europa weiterentwickelt,  hängt von einer Reihe ganz verschiedener Dinge ab: Wie die Bürger in Wahlen abstimmen zum Beispiel, ob große Banken zusammenbrechen, anti-europäische Bewegungen an Kraft gewinnen oder ob Krisenstaaten unter ihrer Schuldenlast zusammenbrechen. Weil das alles so kompliziert ist, wollen wir es uns etwas leichter machen und uns Europa als eine Schulklasse vorstellen. Dazu betrachten wir die Klasse 7a einer Internationalen Schule in Oberwalden in der Schweiz, die von Austauschschülern aus verschiedenen europäischen Ländern besucht wird.

 

Wie in jeder Klasse gibt es hier ein paar Streber, die gut zurecht kommen und tolle Noten haben. Der deutsche Michel und die französische Marianne zum Beispiel. In der Klasse geht das Gerücht um, dass die beiden ganz schön davon profitieren, dass sie in der Mitte des Klassenraums sitzen. So haben sie nämlich viele Möglichkeiten, sich im Unterricht mit anderen zu unterhalten oder rechts und links abzuschreiben. Auf der anderen Seite gibt es Schüler, die schon mal fast sitzengeblieben sind und mit den Anforderungen nicht so gut klar kommen. Teils haben sie auch Probleme zu Hause, weshalb sie in der Schule manchmal unkonzentriert sind. Dimitrios aus Griechenland zum Beispiel oder Isabela aus Spanien. 

 

Genau wie für Europa gibt es auch für die Schulklasse eine ganze Menge Möglichkeiten mit Leistungsunterschieden umzugehen.  Wir picken uns mal die drei meistdiskutierten heraus: Erstens die Methode Ellbogen, zweitens die Grüppchenbildung und drittens den Mannschaftskreis. 

 

Los geht’s mit der Ellbogenmethode: Michel und Marianne können sich dazu entscheiden, einfach ihr Ding durchzuziehen und sich nicht darum zu kümmern, wie es ihren Klassenkameraden ergeht. Sie selbst haben weiterhin gute Noten, das wäre für sie die Hauptsache. Dass die leistungsschwächeren Schüler vielleicht sitzen bleiben und die Klassengemeinschaft auseinanderbricht, nähmen sie in Kauf.

 

Der zweite Weg – die Grüppchenbildung: Die beiden Vorzeigeschüler wollen nicht, dass die Klassengemeinschaft völlig zerbricht. Außerdem lästert die Parallelklasse schon über die Streitigkeiten in der 7a. Deshalb tun sich Michel und Marianne mit einigen mittelmäßigen Schülern zusammen und bilden eine Bande, die zusammenhält wie Pech und Schwefel. Ihnen gegenüber stehen die Schüler mit den schlechtesten Noten, die in der Bande nicht mitmachen dürfen.

Der dritte Weg: Der Mannschaftskreis. Marianne und Michel bilden eine Lerngruppe, in die sie alle ihre Klassenkameraden aufnehmen. Ihre eigenen Noten werden etwas schlechter, weil sie weniger Zeit haben, für sich selbst zu lernen. Ihre Eltern sind da wenig begeistert, aber die beiden können zuhause erklären, dass es echt furchtbar peinlich wäre, wenn einer aus ihrer Klasse sitzen bleiben würde. Und wirklich bekommen die schwächeren Schüler jetzt auch bessere Noten. 

 

Von Oberwalden zurück auf die europäische Bühne. Auch hier gibt es – wie auf unserem Pausenhof – drei Szenarien:

 

Entstehen im Rahmen der Europäischen Union Staaten, die als Einzelkämpfer jeweils für sich das Beste wollen und in die sich nicht für die Belange der anderen Länder interessieren? Die EU wäre dann nichts weiter als die Summe einzeln agierender Teilstaaten mit einem ziemlich brüchigen Rahmen. Von einer Fiskalunion oder einer gemeinsamen Aufnahme von Eurobonds kann in dieser Version kaum die Rede sein.

Obwohl die Kluft zwischen den EU-Ländern eigentlich von der Wirtschaft ausging, würde darunter die gesamte europäische Identität leiden.

 

Wie auf dem Pausenhof in Oberwalden könnte es auch zur Grüppchenbildung kommen. Dann würden sich zum Beispiel Deutschland, Frankreich und einige weitere Staaten zu einer kleineren Gemeinschaft der Stärkeren zusammenschließen. Es gäbe zwar in der EU noch immer einen gemeinsamen Rahmen, aber im Inneren eine Trennlinie zwischen wirtschaftlich starken und schwachen Staaten.

 

Die dritte Möglichkeit wäre ein gemeinsames Vorgehen aller Länder mit einer abgestimmten Politik und einer gemeinsamen Haftung für Kredite und Schulden. Ein starker und stabiler europäischer Rahmen also. Dies ist derzeit aber besonders in wirtschaftlich starken Ländern in der Bevölkerung wenig populär. Käme es tatsächlich zu einer erfolgreichen gemeinsamen Wirtschaftspolitik der EU-Staaten, würden die Bürger wahrscheinlich mehr Vertrauen in die Europäische Integration gewinnen und eine stärkere Verbindung der EU-Staaten insgesamt befürworten.

 

Was die Zukunft bringt, ist nur sehr schwer vorherzusagen. Nur zwei Sachen sind wohl sicher: Ein richtig oder falsch gibt es in dieser Frage nicht. Keiner der Wege führt für alle Länder aus der Krise und in eine bessere Zukunft. Die zweite Gewissheit: Welchen Weg die EU gehen wird, haben ihre Mitgliedsstaaten selbst in der Hand.

 

Genau wie unsere Klasse 7a aus Oberwalden.