Rating-Agenturen - einfach erklärt

Das ist eine Ratingagentur. Den Begriff haben wir alle schon oft gehört. Er taucht seit der Finanzkrise eigentlich immer wieder auf den Titelseiten von Zeitungen, in den täglichen Abendnachrichten und auch immer dann auf, wenn von den aktuellen Entwicklungen rund um Griechenland und die EU-Krise gesprochen wird.

 

Die Rating-Agenturen werden von vielen Fachleuten als Mitverursacher der Wirtschaftskrise bezeichnet. Wenn man den Experten Glauben schenken darf, dann haben die Rating-Agenturen zusammen mit den Banken ziemlichen Mist gebaut

Die Frage ist also: Warum sind die Experten so erbost? Und überhaupt: Was sind Ratingagenturen eigentlich? 

Nun, das hat etwas mit Eisenbahnen, einer Menge korrupter Menschen und faulen Kreditpaketen zu tun. Um das zu verstehen, müssen wir erst einmal ein bisschen in der Zeit zurückreisen. Und auch den Ort müssen wir wechseln. Genauer gesagt müssen wir  in die Vereinigten Staaten des Jahres 1909 reisen. Da nämlich wird die Firma Moodys als erste Rating-Agentur gegründet. Im Jahr 1916 folgt die Gründung der Firma Standard and Poors und 1924 macht die Firma Fitch Rating das Trio komplett. Diese drei Firmen dominieren bis heute den Ratingmarkt und werden daher auch als die „Großen Drei“ die Big Three bezeichnet. Das ist Big One, das ist Big Two, das ist Big Three und ehm das ist Big Mac, der kommt auch aus Amerika, ist aber für

das Thema hier eher uninteressant. 

Also diese drei Agenturen – Moodys, Standart and Poors und Fitch hatten seit ihrer Gründung eigentlich immer nur eine einzige Frage zu beantworten: Wenn ich Person X Geld leihe – wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich dieses Geld mit Zinsen zurückbekomme?

 

Los ging das ganze eigentlich mit dem Bau der – genau: Eisenbahn in Amerika. Die Erschließung des Westen und der Konkurrenzkampf unter den einzelnen Eisenbahngesellschaften war damals ein sehr lukratives Geschäft. Und um schnell zu expandieren brauchten die Eisenbahngesellschaften vor allem eines: Geld. Und wie bekommt man Geld – genau, mit Krediten. 

Die drei Ratingagenturen schauten sich also die Vielzahl der Eisenbahngesellschaften, die Amerika erschließen wollten und vergaben für diese Noten. Hatte eine Gesellschaft viele finanzielle Geldreserven und keine anderen Kredite, gab es dafür eine gute Wertung: Tripple A heißt das im Jargon der Ratingagenturen. Hatte eine Eisenbahngesellschaft schon andere Kredite, finanzielle Schwierigkeiten oder einfach schlechte Auslastungszahlen, wurde hierfür eine schlechtere Note gegeben, z.B. ein C. 

 

Dieses Wertungssystem, das damals für Eisenbahnen gedacht war, gibt es heute in modifizierter Form noch immer.

 

Nun, Eisenbahnen waren eine recht einfache Rechnung. Im Laufe der Zeit wollten aber immer mehr Personen, Firmen, ganze Konzerne und schließlich auch ganze Länder eine Beurteilung von der Agenturen bekommen. 

Aber es gibt Dinge, die sich tatsächlich noch komplizierter. 

 

Strukturierte Kreditprodukte heißen diese Dinger. Das ist ein sehr komplizierter Name für eine noch kompliziertere Sache. Zu solchen Kreditprodukten könnte man eigentlich einen eigenen und sehr langen Film mit vielen mathematischen Formeln und griechischen Buchstaben machen. Ganz einfach gesagt, funktioniert die Sache aber so: Man nehme ganz viele schlechte Kredite,  die eigentlich im Einzelnen betrachtet für jeden wirtschaftlich denkenden Menschen das pure Gift sind. Dieses giftige Zeug werfe man dann zusammen in einen großen Topf, füge etwas mathematische Magie hinzu und man erhalte ein Kreditpaket, dass von der Ratingagentur mit der Bestnote versehen wird – obwohl alle Zutaten in dem Topf eigentlich eher mittelmäßig sind. Das erstaunliche an der ganzen Sache: Mit einer unglaublich ausgeklügelten Formel und den nötigen Informationen kann man das tatsächlich ganz seriös so berechnen. 

Die Nachfrage nach den Kreditpaketen war dann auch unglaublich hoch. Weil sie so hoch war musste aber das Angebot wachsen. Und was, wenn man das Angebot nicht mehr so richtig aufbringen kann? Genau, man spart an den Zutaten und packt noch schlechtere Kredite in das Kreditpaket. So schlecht, dass die Rating-Agenturen ganz banale Dinge nicht mehr wissen konnten: Wie viel Einkommen ein Kreditnehmer z.B. hat. Ziemlich wichtige Sachen also. Die Sicherheit dieser Anlagen sank durch solche Methoden natürlich rapide. Das einzige was nach oben schoss: Das Risiko, dass die ganze Sache in die Luft fliegt. Unterm Strich konnten die Rating-Agenturen ihre eine Schlüsselfrage nicht mehr seriös beantworten: Wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass die Kreditpakete mit den giftigen Zutaten sicher bleiben?

Nun wundert man sich doch, warum haben die Rating-Agenturen als sie das ganze Spiel durchschauten, nicht einfach auf den Alarm-Knopf gehauen.

 

Hierfür muss man sich die Rating-Agenturen und die Banken als eine Art Schule vorstellen. Da gibt es die Lehrer und die Schüler. Der Lehrer, der vorne steht und Noten verteilt ist die Rating-Agentur, die Schüler, die gute Noten auf ihrem Zeugnis haben wollen, das sind die Banken. 

 

In einer guten Schule läuft die Sache so: Der Lehrer wird vom Staat bezahlt, ist unabhängig und versucht die Schüler so zu beurteilen, dass es ihrer tatsächlichen Leistung entspricht. Die beiden Lehmann-Brüder, die immer nur Unfug bauen, die kriegen eine Sechs, der Klassenprimus eine Eins. 

 

Im Falle der Wall-Street-Schule, in der die Rating-Agenturen die Lehrer sind, sieht das aber etwas anders aus. Es sind nämlich die Banken, die den Ratingagenturen für ihre Einschätzungen Geld zahlen. Hier wird also der Lehrer nicht vom Staat bezahlt, sondern von den Schülern. Und die Schüler wollen von diesem Lehrer für ihr Geld eine entsprechende Wertung bekommen, auch, wenn sie eigentlich ziemlich mies sind.

 

Aber es kommt noch etwas schlimmer: In einer ordentlichen Schule kann man sich den Lehrer ja nicht einfach aussuchen. Anders in der Wall-Street-Schule. Da können auch Chaoten von Herrn Moody zu Herrn Standard und schließlich zu Herrn Dr. Fitch rennen. Wenn der eine ihnen die gute Note nicht gibt, dann lassen sie ihr Geld halt bei einem anderen der dazu bereit ist. Die Lehrer profitieren also ganz direkt davon, ihren Schülern gute Noten zu geben. 

 

Raus aus der Schule, rein in die Realität: Wie in der Wall-Street-Schule warfen auch in der gar nicht so fiktiven Wall-Street die Rating-Agenturen mit ihren Bestnoten um sich. Kredite ohne Sicherheiten wurden reihenweise mit der Bestnote versehen! Ein Beispiel gefällig? Gerne doch! Die Rating-Agentur Standard and Poors musste im Zuge der Wirtschaftskrise nicht ein zehn, nicht fünfundzwanzig, nein: Die Hälfte ihrer Bestnoten – Tripple A also – radikal herunterstufen. 

 

Der Rest ist bekannt: Die Hauspreise in den USA brachen ein, Kredite konnten nicht mehr zurückbezahlt werden, der Teufelskreis der Finanzkrise setzte ein. Der Grund: Kreditpakete mit faulen Krediten, die von den Ratingagenturen für sehr gut befunden worden waren 

 

Kurzum: Ihr seht also, die Sache mit den Ratingagenturen ist ganz schön kompliziert und ihre Geschichte noch lange, lange nicht zu Ende. Und dabei hatte doch das alles so einfach angefangen. Damals in Amerika mit den Eisenbahnen...